Bremen hat ein großes Problem mit den teilweise extremen sozialen Unterschieden zwischen den einzelnen Stadtteilen und der daraus resultierenden sozialen Segregation. Das lässt sich an vielen Indikatoren ablesen (Einkommensverteilung, Wahlbeteiligung, Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund, Arbeitslosenanteil, Wohnungsgröße…). Die soziale Spaltung ist vor allem für die “armen” Stadtteile ein zunehmendes Problem: sie werden zu Ghettos. Besonders fatal ist die Entwicklung für die dort lebenden Kinder und Jugendlichen, die erheblich schlechtere Bildungs und Aufstiegschancen haben als die Kinder aus privilegierten Stadtteilen.
Die Schule Oberschule Koblenzer Straße, an der ich seit August unterrichte, ist eine der Brennpunktschulen in Bremen. Der Ortsteil Osterholz-Tenever ist einer der ärmsten Bremens. Hier wohnen Menschen aus ca. 80 Nationen in einer Hochhaussiedlung. Ich hab in meiner 9. Klasse ausschließlich Kinder mit Migrationshintergrund. Hier zeigt sich das Problem sozialer Segretation vor allem darin, dass diese Kinder kaum aus ihrer Hochhaussiedlung herauskommen, geschweige denn, mit anderen Milieus in Berührung kommen. Es gibt kaum Berührungspunkte mit klassischen oder auch neuen bürgerlichen Milieus.
Gleichzeitig gilt dies natürlich auch für die bürgerlichen Milieus. Wenn ich mit Freunden und Bekannten über Tenever, die Schule und die Geschichten der Kinder spreche, merke ich immer wieder, wie groß die Distanz, vielleicht auch das Unbehagen, bestimmt aber Unverständnis und die Vorurteile sind.
Um diese Grenzen wenigstens ein kleines bisschen und zumindest für meine Schüler*innen aufzubrechen, starte ich mal ein kleines Projekt, das ich, vielleicht etwas übertrieben, #BreakingBremenBoundaries genannt habe. Grundidee ist es, die Milieus zusammenzubringen auf dem Feld der Schule, im Klassenraum. Als erstes werde ich mal interessante Personen aus meinem persönlichen Umfeld in die Schule einladen. Ziel ist dabei ein Kennenlernen, ein Austausch, ein Lernen voneinander, Berührungspunkte und Kontakte zu schaffen. Davon profitieren hoffentlich beide Seiten. Den Anfang macht am kommenden Dienstag der Schauspieler Helge Tramsen.
Außerdem in Planung ist ein Schüleraustausch mit Schülern des Bremer Kippenberg-Gymnasiums, eine Schule mit vorwiegend klassisch bürgerlicher und finanziell wohlsituierter Klientel (zufällig hab ich da auch mal gearbeitet ;-). Die fahren ziemlich viel zu Auslandsaufenthalten nach USA, Frankreich, England…, wie die Schüler*innen in einem Stadtteil wie Tenever leben, dürfte den meisten aber ziemlich fremd sein. Auch hier: Kennenlernen und lernen voneinander (wenn schon nicht miteinander) ist das Motto.
Natürlich lässt sich mit so einem Mini-Schulprojekt das Problem nicht lösen. Aber wir alle sind, glaube ich aufgerufen, wenigstens ein bisschen was gegen das Auseinanderdriften der Stadt, der Milieus und der Gesellschaft ingesamt zu tun. In diesem Sinne würde ich mich natürlich freuen, wenn andere Schulen und Kolleg*innen unter dem Motto #BreakingBremenBoundaries sich auch was überlegen würden. So schwer ist das ja eigentlich nicht, man muss es nur wollen.
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