Dies ist ein Post speziell für alle Freund*innen, Kolleg*innen, Fußballeltern, Schüler*innen, kurz für alle Nicht-Nerds aus meinem Umfeld, die ich seit geraumer Zeit immer mit meinem Kampf gegen die WhatsApp-Windmühlenflügel und der Werbung für Signal auf die Nerven gehe und mir dabei den Mund fusselig rede. Es ist auch eine Argumentationshilfe für mich, ein zusammenfassender Text, auf den ich in Diskussionen verweisen, ein Link, den ich schnell in Mails und Nachrichten mitschicken kann, ohne immer nach anderen Artikeln zu suchen, die dann vielleicht auch nicht richtig das Publikum treffen.
Alle anderen, die sich eh schon auskennen: you might stop reading! Es gibt keine Diskussion der technischen Details von Verschlüsselungsalgorithmen, kein detailliertes Auflisten von Features und eventuellen Schwächen,die womöglich auch Signal hat. Es geht ausschließlich darum, warum WhatsApp extrem problematisch ist und warum mensch Signal als derzeit beste und einzig realistische Alternative benutzen sollte.
WhatsApp ist böse
Kurze pauschale Aussage, aber treffend. Es gibt einen wesentlichen Grund dafür: WhatsApp gehört Facebook und gibt seit 2016 sämtliche Daten an seine Mutterfirma weiter. In Deutschland und der EU ist das zwar verboten, aber Facebook will das durchsetzen und hat bereits angekündigt, die Datenweitergabe künftig an die neue EU-Datenschutzverordnung anzupassen. Das ist wenig glaubwürdig, denn bereits jetzt werden offenbar illegal Daten weitergegeben.
Dass Facebook eh problematisch ist und viel zu viel private Daten von uns allen sammelt, besitzt und weitergibt, sollte mittlerweile allen klar sein. Der jüngste Skandal, bei dem 50 Millionen(!) private Nutzerdaten von einer Firma namens Cambridge Analytica für dubiose Zwecke (u.a. der Manipiulation des US-Wahlkampfes) auf ganz legalem Weg von Facebook abgezogen wurden, ist da nur eine weitere, wenn auch eindrucksvolle Bestätigung.
Nun könnte man sagen, was soll’s, WhatsApp verschlüsselt doch alle Nachrichten und Telefonate, was sollen die da schon groß weitergeben? Richtig, WhatsApp verschlüsselt, und zwar sehr gut, sie benutzen nämlich den von Signal erfundenen Algorithmus. Entscheidend sind hier jedoch nicht die Inhalte (oder die eigentlichen Daten), sondern die sogenannten Metadaten. Und die sind mindestens genauso aussagekräftig, wenn nicht sogar mehr. Metadaten sind bspw. Ort, Zeit, Beteiligte eines Chats. WhatsApp speichert außerdem (u.a.) die ID eures Gerätes, Standortdaten, Betriebssystem etc.pp. Aus all diesen Metadaten lassen sich ganz wunderbar und relativ einfach Profile erstellen. Heißt: WhatsApp (also Facebook) muss die Inhalte eurer Kommunikation gar nicht kennen, sie können sie aus den Metadaten erschließen.
WhatsApp speichert außerdem alle eure Kontakte, die ihr auf dem Handy habt und darf/will sie an Facebook weitergeben. Ihr selbst stimmt dem mit der Zustimmung zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu. Das Perfide daran (abgesehen davon, dass dieser ziemlich ungeheuerliche Passus irgendwo im Kleingedruckten steht, wo ihn eh niemand zur Kenntnis nimmt): WhatsApp macht euch dafür juristisch verantwortlich. Das heißt, ihr müsstet von jedem einzelnen eurer Kontakte die Zustimmung dafür einholen, dass dieser Kontakt an WhatsApp/Facebook weitergegeben werden darf! Habt ihr alle gemacht, oder…?
Der kleine Abriss sollte eigentlich schon reichen, um zu sehen: WhatsApp ist böse. Und dient eben nicht primär eurer privaten Kommunikation, sondern dem Datenabzug. Daten, mit denen sehr viel gefährliche –private wie gesellschaftliche und politische– Manipulation betrieben wird.
Warum Signal?
Es gibt sehr viele gute Gründe für Signal als WhatsApp Alternative. Aus meiner Sicht der allerwichtigste ist, dass Signal keiner Firma gehört, die irgendwelche kommerziellen Interessen hat, sondern ausschließlich von Spenden finanziert wird. Neuerdings auf der Grundlage einer Stiftung, deren erster Spender mit 50 Millionen Dollar ironischerweise der Gründer von WhatsApp ist.
Der zweite ganze wichtige Punkt ist: Signal ist komplett Open Source, d.h. der Quellcode aller Apps (Android, iOS, Desktop) wie auch der Verschlüsselung und der Server-Software ist frei einsehbar. Das ermöglicht den Experten –anders als bei WhatsApp–, sämtliche Funktionen, die Verschlüsselung etc. zu prüfen. Bis jetzt haben sie nichts wesentliches gefunden. Ich bin ja eh ein großer Freund von Open Source, aber selbst wenn mensch das normalerweise nicht wirklich interessiert, sollte es in diesem Fall sehr einsichtig sein, dass die Überprüfbarkeit durch externe und neutrale Experten ein sehr großer Pluspunkt für eine solche Art von Software bedeutet.
Der ursprünglich vom Kryptographie-Experten und Signal-Gründer Moxie Marlinspike programmierte Verschlüsselungs-Algorithmus ist technisch anerkannt, so ziemlich der beste, den wir haben und wird mittlerweile auch von anderen Messengern genutzt, z.B. auch von WhatsApp(!), Allo (Google), Facebook Messenger, bald auch von Skype. Berühmt ist das Testimonial des Whitleblowers Edward Snowden, der Signal von Anfang an empfohlen hat.
Anders als WhatsApp speichert Signal so gut wie keine Metadaten. Lediglich die Telefonnummern (das ist ein Kritikpunkt!) sowie das Datum (und zwar nur der Tag) der letzten Verbindung mit dem Server werden erhoben und gespeichert. Lächerlich wenig im Vergleich zu WhatsApp.
Die Apps (iOS, Android und mittlerweile auch Desktop) sind nicht so vollgestopft mit Features wie WhatsApp, aber das ist aus meiner Sicht ein weiterer Pluspunkt (wer braucht z.B. wirklich eine Status-Funktion in einem Messenger…). Hinsichtlich der Standard-Funktionalitäten steht Signal WhatsApp in nichts nach. Es gibt Telefonate, Video, Gruppen, und das ganze funktioniert einfach und zuverlässig. Signal ist keine Nerd-Software, für die man masochistisch veranlagt oder Software-EntwicklerIn sein muss. Dafür sprechen auch die mittlerweile zahlreichen Empfehlungen in Mainstream-Medien wie der FAZ, der SZ, dem österreichischem Standard (Es gibt zuviele Messenger - und einen klar besten: Signal), oder Wired.
Signal ist die sicherste, vertrauenswürdigste und beste Alternative zu WhatsApp. Aber es gibt natürlich noch viele andere Messenger, was ist mit denen?
Was ist mit den anderen?
Kurz gesagt: die haben alle irgendwelche eklatanten Probleme und Nachteile.
Der häufig (früher auch von mir) genutzte Messenger Telegram ist was die Entwicklungs- und Eigentumsverhältnisse betrifft ziemlich dubios. Außerdem liegt der Quellcode nicht offen vor, zumindest nicht komplett. Daneben ist Telegram in jüngster Zeit in die Kritik geraten wegen kinderpornographischer Gruppen oder fragwürdigem Umgang mit Oppositions-Gruppen im Iran. In Russland ist Telegram jüngst dazu verurteilt worden, die geheimen Schlüssel der Nutzer herauszugeben.
Über den Facebook Messenger und Google Allo brauchen wir m.E. nicht ernsthaft reden, nach dem oben zu Datenspeicherung und -missbrauch gesagtem. Beide Messenger verwenden zwar das Verschlüsselungsprotokoll von Signal, dies muss aber vom User explizit für jede einelne Unterhaltung aktiviert werden. Schon daran wird deutlich, dass Facebook und Google vor allem daran interessiert sind, Daten zu sammeln und dabei darauf setzen, dass dem User die Verschlüsselung schon nicht so wichtig sein wird, oder das Einschalten eh zu umständlich ist. Und: die Metadaten werden so oder so gespeichert. Also bitte, um es mit den Worten von Edward Snowden zu sagen: Don’t use Allo, und schon gar nicht Facebook.
Bleibt von den Bekannteren Threema. Threema kam in Deutschland vor allem nach dem Verkauf von WhatsApp an Facebook 2014 in Mode, und nach wie vor sind da auch relativ viele Kontakte. Threema ist nach allen was man weiß technisch gut und sicher und damit durchaus empfehlenswert. Die Firma wirbt mit dem Schweizer Datenschutzgesetz, dem sie unterliegt. Das wird allerdings demnächst womöglich hinsichtlich der Zugriffsmöglichkeit für staatliche Behörden entscheidend geändert. Für den Fall hat Threema zwar einen Server-Umzug angekündigt, aber es bleibt ein Fragezeichen. Und Threema hat zwei entscheidende Nachteile. Erstens handelt es sich um eine kommerzielle Firma, die Geld verdienen muss. Dies tut sie momentan mit speziellen Angeboten für Firmen und mit dem Verkauf der App. Heißt: Threema ist nicht kostenlos! Der Preis hält sich zwar in Grenzen, aber wenn ich die App Freunden oder z.B. SchülerInnen empfehlen will, ist das ein entscheidender Nachteil. Einfach mal kostenlos ausprobieren ist nicht möglich. Zweiter wichtiger Kritikpunkt ist, dass Threema nicht komplett Open Source ist. Zwar ist u.a. die Verschlüsselungsbibliothek offen, aber ausgerechnet der Code für die App selbst ist nicht zugänglich und einsehbar. Beides – die kommerziellen Interessen und der nicht vollständig offene Code – sind entscheidende Argumente gegen Threema und machen Signal zur besseren Alternative.
Erwähnen möchte ich noch Wire. Das ist eine wirklich coole Alternative, die ich auch eine Weile benutzt habe. Wire ist soweit ich weiß mittlerweile komplett Open Source. Anders als bei Signal muss keine Telefonnummer angegeben werden, die Verschlüsselung ist sicher. Super ist auch, dass Wire auf mehreren Endgeräten (bis zu sieben) gleichzeitig genutzt werden kann (Zweithandys, Tablet…). Wire hat aber zwei gravierende Probleme. Zum einen ist es ein kommerzielles Produkt. Die App ist kostenlos, aber die in der Schweiz und Deutschland ansässige Firma (gegründet vom dem ehemaligen Besitzer von Skype) muss irgendwann Geld verdienen. Momentan versucht sie das mit der Orientierung auf Business, heißt auf Firmenkommunikation. Der private Endanwendermarkt ist da vielleicht zukünftig eher zweitrangig. Zum anderen: DA sind nun wirklich so gut wie keine anderen User und Freunde, und das UI der App ist zwar irgendwie cool, aber im Vergleich mit den anderen Apps auch gewöhnungsbedürftig. Aus meiner persönlichen Sicht ist Signal deshalb immer noch vorzuziehen, aber immerhin kann ich (wenn ich den kommerziellen Aspekt mal ignoriere) Wire zum Ausprobieren empfehlen.
Fazit
Ich komme auch nicht komplett bei WhatsApp weg, aber da wo es geht, versuche ich Freunde etc. zu überreden, Signal zu nutzen. Dass da weniger Kontakte sind, ist überhaupt kein Argument dafür, ausschließlich WhatsApp zu nehmen: Mensch kann auch durchaus mit mehreren Messengern leben.
Also: überwindet eure Bequemlichkeit, macht euch klar, was für ein gefährliches Tool WhatsApp ist, und dann nutzt Signal, wo immer es geht.
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